Interview Sönke Wortmann – „Letztendlich ist der einzige Gradmesser der Publikumserfolg“

Sönke Wortmann erreicht mit Filmen wie „Der bewegte Mann“, „Das Superweib“, „Das Wunder von Bern“, „Deutschland. Ein Sommermärchen“ und „Die Päpstin“ immer wieder ein Millionenpublikum. Warum ihm das wichtig ist und welchem Zweck ein Teil der Einnahmen zu Gute kamen, erklärt er im Gespräch mit TVinfo.

Sönke Wortmann

TVinfo: Am 18. September startet Ihr Film „Schoßgebete“ in den Kinos. Was hat sie an der Romanvorlage gereizt?

Sönke Wortmann: Mir geht es immer um interessante Figuren in einer interessanten Geschichte. Ich hatte „Feuchtgebiete“, den ersten Roman von Charlotte Roche, nicht gelesen, und wollte dann beim zweiten Roman einmal gucken, warum alle das gekauft haben. Die Geschichte, die da erzählt wird, hat mich sehr begeistert und berührt. Das war der Grund, sich um die Rechte zu kümmern.

TVinfo: Die Protagonistin in „Schoßgebete“ schwankt zwischen Kontrollwahn und ihrer Angstphobie. Wieviel kontrollieren Sie, wenn Sie einen Film drehen?

Sönke Wortmann: Gar nicht so viel. Ich hab natürlich meine Vorstellungen, wie das aussehen soll, bin dann aber offen, wenn die Dinge anders laufen, als ich eigentlich geplant hatte. Ich bin also überhaupt kein Kontrollfreak und kann auch gut delegieren. Und ich glaube, das muss man auch in unserem Geschäft. Das gefällt mir auch so daran, es ist eine Teamarbeit. Und je besser das Team ist, desto besser wird der Film.

TVinfo: Und wovor haben Sie Angst am Set?

Sönke Wortmann: Angst habe ich überhaupt nicht, dafür bin ich jetzt schon zu lange dabei. Ich bin am Set in keinster Weise traumatisiert von etwas. Es gibt natürlich immer eine menschliche Komponente, wenn man sich für sechs Wochen oder acht Wochen trifft und eine intensive Zeit miteinander verbringt. Ich hätte Bedenken, wenn irgendeiner ein zu großes Ego hat und sich in den Vordergrund spielen will und die Gruppe durcheinander bringt. Bisher ist es mir auch immer ganz gut gelungen, das zu umgehen.

TVinfo: Dieses Mal haben Sie wieder auf prominente Schauspieler gesetzt...

Sönke Wortmann: Ja, Jürgen Vogel vor allem. Lavinia Wilson ist in der Branche sehr bekannt, dem breiten Publikum noch nicht so. Ich denke, dass sich das jetzt ändern wird. Juliane Köhler ist natürlich auch sehr bekannt und beliebt.

TVinfo: Ist es seit Ihrem Film „Der bewegte Mann“ wichtiger geworden, Rollen mit prominenten Schauspielerinnen und Schauspielern zu besetzen?

Sönke Wortmann: Ja, das hat sich schon geändert. Das Markendenken hat sich immer mehr zugespitzt. Filme werden immer mehr katalogisiert, das sieht man auch daran, dass es so viele Fortsetzungen gibt. Erfolgreiche Filme werden zu einer Marke. Die Filme haben nicht mehr so viel Zeit im Kino, sich zu entwickeln. Die Leute entscheiden schneller, was sie sehen wollen. Und wenn man dann zu spät kommt, dann ist der Film auch schon wieder raus aus dem Kino.

TVinfo: Sie haben „Schoßgebete“ mitproduziert. Ist es heutzutage auch wichtig, an der Produktion beteiligt zu sein?

Sönke Wortmann: Nicht unbedingt. Aber ich hab nun einmal eine Produktionsfirma, und wenn ich als Regisseur interessante Angebote bekomme, dann versuche ich schon, die Firma mit ins Boot zu nehmen. Damit auch die Leute, die hier arbeiten, etwas zu tun haben und Geld verdienen können. Das ist aber nicht Voraussetzung.

TVinfo: Wie wichtig ist für Sie, dass ein Film ein kommerzieller Erfolg ist?

Sönke Wortmann: Das ist schon sehr wichtig, weil ich ja irgendwo eine Messlatte für Qualität haben muss. Film ist am Ende doch eine Kunstform und somit Geschmacksache. Die einen finden das ganz super und die anderen ganz doof, was man so macht. Letztendlich ist der einzige Gradmesser der Publikumserfolg. Dann hat ein Film sich auch herumgesprochen. Es ist eine Bestätigung der eigenen Arbeit, wenn ein Film eine Million Zuschauer oder mehr hat.

TVinfo: Bei Ihrem kommerziellen Erfolg „Deutschland. Ein Sommermärchen“ sind die Einnahmen an die SOS Kinderdörfer geflossen. Wie ist es dazu gekommen?

Sönke Wortmann: Das war von vornherein klar und ich bereue das überhaupt nicht. Es sind dann über vier Millionen Euro geworden. Für mich war es toll, so nah dran zu sein. Damit will ich nicht auch noch Geld verdienen. Es war für mich ein Geschenk, und dann schenkt man auch gerne etwas zurück an Leute, die es gebrauchen können.

TVinfo: Sie waren dann auch bei der Eröffnung eines der Kinderdörfer in Recife im Nordosten Brasiliens vor Ort. Was waren Ihre Erlebnisse und Erfahrungen dort?

Sönke Wortmann: Als ich anfing, mich mit den SOS Kinderdörfern auseinander zu setzen, habe ich mir ein paar Dörfer angeguckt, zum Beispiel in Sarajevo, wo auf Grund des Krieges vor 15 Jahren sehr viele traumatisierte Kinder lebten. Insgesamt hat mir gefallen, mit welcher Leidenschaft und Herzblut die Betreuerinnen und Betreuer ihre Arbeit machen. Und wie neugierig und lebensfroh die Kinder in diesem Kinderdorf waren. Deswegen habe ich als Botschafter der SOS Kinderdörfer zugesagt. Das hat sich bei allen anderen Kinderdörfern bestätigt, die ich in Indonesien, Brasilien und anderswo gesehen habe. Das Prinzip Kinderdorf finde ich super.

TVinfo: Wie würden Sie Ihren Kindern erklären, warum die Filmeinnahmen nicht auf Ihrem Konto gelandet sind?

Sönke Wortmann: Das würden die nie fragen. Meine Kinder müssen keinen Hunger leiden und können zur Schule gehen. Die würden eher sagen: Kannst Du da nicht noch mehr hin spenden? Die waren auch schon einmal in Indonesien mit dabei.

TVinfo: Das Projekt „6 Dörfer für 2006“ war ein Kooperationsprojekt mit der FIFA. War das ein Feigenblatt für die FIFA?

Sönke Wortmann: Das glaube ich nicht. Wenn das Wort FIFA fällt, sind ja alle immer wahnsinnig skeptisch. Ich kann sagen, dass die Leute, mit denen ich bei der FIFA zu tun hatte, ganz smarte, nette, höfliche, zuvorkommende, faire Ansprechpartner waren. Wichtig ist ja, was hinten herauskommt. Und wenn Kinder in einem SOS Kinderdorf leben dürfen, dann ist ihnen das ziemlich egal, ob es ein Feigenblatt ist. Es geht darum, dass Leuten direkt geholfen wird. Da freue ich mich über jeden, der das tut.

TVinfo: Sie haben sich in Köln einmal an einem Projekt beteiligt, in dem Fans oder Mitgliedern mehr Einfluss auf die Entscheidungen des Vereins ermöglicht werden sollten. Warum haben Sie sich dafür engagiert?

Sönke Wortmann: Fortuna Köln liegt mir sehr am Herzen liegt, weil der Verein gegenüber meiner Produktionsgesellschaft in der Kölner Südstadt spielt. Hier übernimmt er viele soziale Aufgaben. Ich war neugierig, ob eine basisdemokratische Masse mit Schwarmintelligenz bessere Entscheidungen treffen kann als ein Vereinspräsident. Das hat auch anfangs gut geklappt. Wir sind mittlerweile dreimal aufgestiegen und in der dritten Bundesliga angekommen. Es hat sich dann aber irgendwann als Wettbewerbsnachteil erwiesen. Je höher die Liga wurde, desto weniger demokratisch konnte das laufen. Der Trainer ist der einzige, der die Form seiner Spieler kennt. Das Projekt wurde dann eingestellt, aber alle waren froh über das Experiment, das den Verein damals vor der Insolvenz gerettet hat.

TVinfo: Sie sind auch allgemeinpolitisch interessiert, Parteimitglied und haben zweimal in der Bundesversammlung den Bundespräsidenten mitgewählt. Wie sehen Sie die Möglichkeiten der Politik - auch im Vergleich zu Ihrem privaten Engagement?

Sönke Wortmann: Eher positiv. Irgendwie müssen ja Land und Welt organisiert werden. Natürlich ist die demokratische Ausrichtung eines Staates die einzig richtige. Da werden natürlich auch Fehler gemacht, die muss man versuchen abzustellen. Das ist ja ein demokratischer Prozess. Und zumindest in unserem Land geht es ja grundsätzlich in die richtige Richtung. Kernkraftwerke wurden abgeschaltet, ich kann mich frei fühlen insgesamt und sagen, was ich will. Das sind alles Errungenschaften, die noch nicht ganz so alt sind und die viele andere Länder immer noch nicht haben.

TVinfo: Zum Abschluss unseres Interviews noch unsere traditionellen Vervollständigungssätze: „Das Fußball gelegentlich mit einer Religion verglichen wird, finde ich...

Sönke Wortmann: ...Quatsch.“

TVinfo: „Sexszenen sind für einen Film...

Sönke Wortmann: ...meistens unnötig.“

TVinfo: „Am meisten Spaß beim Filmdrehen habe ich an...

Sönke Wortmann: ...der Einspielung der Filmmusik mit einem Symphonieorchester.“

TVinfo: Herr Wortmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Markus Pins am 18.06.2014 in Köln.

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