Interview Senay Duzcu – „Ich bin Türkin, Kurdin, Armenierin und Düsseldorferin.“

Seny Duzcu war jüngst nicht nur Gast in Dieter Nuhrs Satiregipfel, sondern auch auf einem Düsseldorfer Balkon, um sich gegen Islamfeindlichkeit zu wehren. Ein Gespräch über Satire, Bedrohungen und Singlebörsen:

Senay Duzcu

TVinfo: Sie haben auf dem Balkon der Anwaltskanzlei von G�lsen �elebi mit Satire gegen Dügida demonstriert. Warum?

Senay Duzcu: Satire ist der größte Schlag für Menschen, die nicht über ihren Horizont hinaus denken möchten. Die stehen geblieben sind, voller Ängste. Eigentlich traurige Menschen. Satire geht mit Auflockerung und Ironie auf die Sache ein oder redet darüber. Oder findet einen Weg, wie auch das Traurigste und Schlimmste wieder witzig sein kann.

TVinfo: Ihre Gastgeberin ist für ihren Dügida-Protest bedroht worden. Wieviel Mut gehört dazu, sich auf den Balkon zu stellen?

Senay Duzcu: Sehr viel Mut. Aber sie ist eine Kämpferin. Sie hat auch schon viele andere Fälle gehabt: z.B. Ehrenmorde, bei denen sie von einigen Familienmitgliedern bedroht worden ist. Aber sie ist für das Recht. Da macht es keinen Unterschied, ob es gegen Moslems, gegen Frauen, gegen Juden, gegen Minderheiten, gegen Homosexualität geht. Auch ich denke, dass es egal ist, wem ein Unrecht geschieht, gegen wen es sich richtet. Das ist genau so, als wenn ein Kind ertrinkt: Wenn ich helfen kann, frage ich ja auch nicht vorher, welche Religion oder welche Nationalität oder welche Sexualität es hat. Ich helfe. Punkt.

TVinfo: Wieviel Mut hat Sie Ihr Engagement gekostet?

Senay Duzcu: Ach, ich bin da einiges gewohnt: In der Kölner Innenstadt bin ich vor kurzem bedroht worden. Ich solle doch dahin gehen, wo ich herkomme, sonst würde ich ausgelöscht. Und da habe ich gesagt: Nein, nach Düsseldorf möchte ich nicht zurück.

TVinfo: Was war der Grund für diese Drohung?

Senay Duzcu: Weil ich angeblich in meinem Programm über Deutsche und Ossis schlecht rede. Dabei habe ich in meinem Programm immer differenziert. Ich war baff, weil ich dachte, dass Deutschland eigentlich so offen ist. Und ich eher dafür kritisiert würde, dass ich so frech und emanzipiert ohne Kopftuch auf der Bühne stehe. Ich habe nichts gegen das Kopftuch. Aber stünde ich mit Kopftuch auf der Bühne, hieße es sicher: Die ist zurückgeblieben und wird unterdrückt. Stattdessen bin ich jetzt zu frech. Weil ich zu offen bin und meine politische Meinung sage.

TVinfo: Warum reagieren manche so sensibel auf Ihre Kritik und die Kritik anderer?

Senay Duzcu: Wenn Du ein gutes, reines Gewissen hast, dann braucht Dich Kritik nicht zu tangieren. Wenn Du Komplexe hast, wirst Du Dich angesprochen fühlen und Dich wehren. Ein Problem ist zum Beispiel, dass im Moment viele Zeitschriftencover und andere Bilder den Islam mit Krieg und Blut verbinden. Mit diesen Bildern, die man immer wieder in Szene setzt, kann man Menschen beeinflussen und dirigieren, die keine eigenen Erfahrungen mit dem Islam haben. Da denken einige, dass sie so langsam genug damit haben, immer zu versuchen und zu sagen: Wir sind doch nicht alle so.

TVinfo: Viele deutsche Komiker mit ausländischen Wurzeln & egal ob türkisch, holländisch, polnisch oder schweizerisch & thematisieren so wie Sie ihre Herkunft in ihren Programmen. Warum?

Senay Duzcu: Das muss man. Ich habe diesen Teil einmal in meinem Programm weggelassen: Das haben die Leute schade gefunden und waren enttäuscht. Die Leute wollen einfach einen anderen kulturellen Blickwinkel von mir. Das bringt zusätzlich Farbe. Ich bin so, wie ich bin. Ich bin Türkin, Kurdin, Armenierin und Düsseldorferin.

TVinfo: Besteht denn nicht die Gefahr, dass man so Klischees verstetigt?

Senay Duzcu: Wir lachen ja darüber und nehmen den Wind aus den Segeln. Es gibt Klischees, aber wir machen sie sympathisch. Und ich zumindest lasse Sie so die Gefühle meiner Familie kennenlernen.

TVinfo: Ist der Eindruck richtig, dass es in der Comedy mehr Künstler mit Migrationshintergrund als Frauen gibt?

Senay Duzcu: Ja. Das ist logisch. Psychologisch. Wenn man sich anschaut, wie ein Mann eine Frau umwirbt: Er macht erst einmal Witze. Die Frau ist schüchtern und zurückhaltend. Welche Eigenschaft suchen Frauen auf Singlebörsen spätestens an zweiter Stelle? Er muss mich zum Lachen bringen. Der Mann sucht höchstens an der vierten Stelle: Sie muss Humor haben. Wenn eine Frau Leute in der Kneipe zum Lachen bringt, ist sie ulkig, aber nicht girl-like. Wir haben dieses Macho-Gehabe noch immer nicht gebrochen. Ich wollte weder ulkig noch piepsig sein. Es ist schwer, sich als Frau zu bewähren, aber dann haben wir Vorteile, weil wir unter den vielen Männern auffallen.

TVinfo: Und wie bei TVinfo üblich noch drei Vervollständigungssätze zum Schluss: Bevor ich auf die Bühne gehe, denke ich...

Senay Duzcu: ...dass ich meine ganze Familie sehe. Das Publikum ist meine Familie.

TVinfo: Mein Bauchgefühl über die aktuelle weltpolitische Lage sagt mir...

Senay Duzcu: ...dass wir alle aufstehen, eigenständig denken und etwas bewegen sollten.

TVinfo: Damit die eigenen Träume in Erfüllung gehen...

Senay Duzcu: ...muss man an sich glauben.

TVinfo: Frau Duzcu, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Markus Pins am 13.02.2015 in Köln.

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