TVinfo: Herr Lobo, sie setzen sich dafür ein, den Internetzugang mittels W-LAN in Deutschland für alle Einwohner frei verfügbar zu machen. Warum?
Sascha Lobo: In dem Film fordere ich W-LAN für alle, weil ich glaube, dass Netzzugang ebensowichtig ist wie Strom- und Wasserversorgung. Der Film soll ja Lobbyismusmechanismen verdeutlichen. Da trifft es sich gut, dass in Estland Gratis-W-LAN im Grundgesetz verankert ist, denn eine Forderung ins Grundgesetz zu bekommen, das ist natürlich der Heilige Gral des Lobbying.
TVinfo: Und warum haben Sie durch ihre aktuelle Werbe-Kampagne die demokratische Forderung nach freiem WLAN durch die ökonomischen Segnungen von UMTS für alle ersetzt?
Sascha Lobo: Ich glaube, dass noch einige Zeit vergeht, bis eine technisch sinnvolle, finanzierbare Lösung gefunden ist. Bis dahin möchte ich ungern unterwegs unbenetzt bleiben, da ist UMTS im Moment die beste Methode.
TVinfo: Haben sie dennoch Verständnis für den Aufschrei der Internet-Community zu ihrer Vodafone-Werbung?
Sascha Lobo: Klar, schon weil ein Teil der Internet-Community grundsätzlich aufschreit, wenn ich etwas mache. Aber auch aus netzpolitischen Gründen kann ich das nachvollziehen, ebenso wie aus neidpolitischen Gründen.
TVinfo: Apropos Wirtschaft: Was macht die „Digitale Bohème“ gegen die Wirtschaftskrise?
Sascha Lobo: Weiss ich nicht, weil sich die „Digitale Bohème“ ungefähr so diffus definieren lässt wie die „Netzgemeinde“. Ansonsten hoffe ich, dass die Wirtschaftskrise bald vorbei ist und man jetzt auch nicht mehr auf Krampf anfangen muss, sich krisenfest aufzustellen. Will sagen: wen es bisher nicht erwischt hat, der kommt mit einiger Wahrscheinlichkeit ungeschoren davon.
TVinfo: War nicht die „Digitale Bohème“ ein Luxusableger der Überflussjahre und wird sie jetzt wieder zu einer echten armen Bohème?
Sascha Lobo: Nein, die Digitale Bohème hat auch bisher selten übermäßig viel Geld verdient. Es geht eher um die Reihenfolge und Mischungsverhältnis der Begriffe Karriere, Arbeit, Leben. Dass wir die digitale Revolution mit hineingenommen haben, hat den offensichtlichen Grund, dass das Netz die gesamte Gesellschaft verändert und eben besonders die Arbeitsbedingungen.
TVinfo: Wie hedonistisch ist die „Digitale Bohème“?
Sascha Lobo: Exakt so hedonistisch wie sie möchte. Das ist kein Kriterium dieser Gruppe, in meinen Augen. Es geht zwar um selbstbestimmte Arbeit. Aber eben Arbeit. Das hat also mit Hedonismus erstmal nichts zu tun. Der Rest ist nicht generalisierbare Privatsache und im Zweifel auch Zufall.
TVinfo: Und wie demokratisch?
Sascha Lobo: Ich glaube, dass selbständig zu arbeiten die Chance erhöht, selbständig zu denken. Da das eine Grundvoraussetzung ist, um politisch zu sein, um demokratisch sein zu können, halte ich den Anteil der überzeugten Demokraten innerhalb der Digitalen Bohème für höher. Ist aber eine reine Vermutung.
TVinfo: Passt das zu Ihrer Form des Lobbyismus?
Sascha Lobo: Meine Form des Lobbyismus ist eine Art überzeugungsgetriebener, vernetzter Privatlobbyismus. Da ist sehr viel mehr Vermittlungs- und Erklärungsarbeit dabei, als man von außen glauben könnte. Überhaupt halte ich die Erklärungsarbeit, die Welterklärung, die Verdeutlichung von Zusammenhängen für eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe.
TVinfo: Warum konnten Sie die von Ihnen abgelehnte Sperre zur Blockierung von Internetseiten, die Kinderpornographie enthalten, dennoch nicht verhindern?
Sascha Lobo: Weil ich zwar die schönste Frisur im Polit-Business habe, aber nur am Rand beteiligt bin - und eben kommunikativ-beratend, nicht operativ. Es ist ja nicht so, dass ich es nicht vor und hinter den Kulissen versucht hätte. Aber echte Macht oder kriegsentscheidenden politischen Einfluss würde ich mir nicht zuschreiben wollen. Können.
TVinfo: Noch drei Entscheidungsfragen zum Schluss:
Welcher Politiker nutzt die Medien besser: Barack Obama oder Silvio Berlusconi?
Sascha Lobo: Barack Obama.
TVinfo: Warum?
Sascha Lobo: Berlusconi ist kein Politiker, sondern ein mafiöser Politikerdarsteller. Noch dazu nutzt er die Medien nicht, er kontrolliert sie. Sie gehören ihm.
TVinfo: Welche Domain verschwindet früher: „facebook“ oder „twitter“?
Sascha Lobo: Beide bleiben bestehen, bis das Domainsystem, wie wir es heute kennen, abgeschafft wird.
TVinfo: Warum?
Sascha Lobo: Weil es auch immer noch Amazon.com und ebay.com gibt. Die Chancen, dass es irgendwann zwischendurch twitter.google.com heisst, sind allerdings geringfügig höher als facebook.microsoft.com. Geringfügig.
TVinfo: Auf was könnten Sie eher verzichten: Ihre Frisur oder Ihren Bart?
Sascha Lobo: Die Frage ist natürlich sensationell bescheuert. Aber: auf den Bart.
TVinfo: Warum?
Sascha Lobo: Vergleichen Sie die Zahl der Bartträger im Fernsehen mit der der Irokesenschnitte.
TVinfo: Herr Lobo, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Gespräch führten Markus Pins und Michael Schanz.