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Frühjahr 1974. Bundeskanzler Willy Brandt ist im Sonderzug auf Wahlreise durch Norddeutschland. Begleitet wird der Kanzler von Journalisten und Journalistinnen, seinen Leibwächtern und seinem Partei-Referenten Günter Guillaume, der auf solchen Reisen den Kontakt zur Regierungszentrale hält. Guillaume ist Brandts ‘Mädchen für alles‘. Dabei steht er seit einem knappen Jahr unter dem Verdacht, Stasi-Agent zu sein, und der Kanzler weiß das. Brandt ist dem Rat des obersten Verfassungsschützers Nollau und des politisch verantwortlichen Innenministers Genscher gefolgt, nichts an den Zuständigkeiten des Verdächtigen zu verändern und den Arglosen zu spielen, bis man ausreichende Beweise beisammen habe. Dies gelingt Brandt um so besser, als er den Verdacht gegen Guillaume von Anfang an nicht ernst genommen und im Lauf der Monate verdrängt hat. Der Kanzler ist in keiner guten Verfassung. Er steht noch immer auf dem Höhepunkt seines internationalen Ansehens, aber die Regierungsarbeit des zweiten Kabinetts Brandt geht allmählich aus dem Leim. Die Ermittlungen gegen Guillaume treten auf der Stelle, und Hans-Dietrich Genscher wird immer nervöser. Er setzt Nollau unter Druck, Guillaume entweder zu überführen oder aber die Ermittlungen einzustellen. Nollau, der wie Genscher um seine Karriere fürchtet, gibt den Fall trotz mangelnder Beweise an den Generalbundesanwalt ab. Der stellt einen Durchsuchungsbefehl aus und lässt das Bundeskriminalamt zugreifen, als der Verdächtige - obwohl er bemerkt hat, dass er observiert wird - aus einem Südfrankreich-Urlaub nach Bonn zurückkehrt. Günter Guillaume gibt sich, gegen jede Regel, sofort als ‘Bürger der DDR und ihr Offizier‘ zu erkennen. Er wird samt seiner Frau Christel verhaftet. Die Vernehmer bittet er, mit dem Kanzler sprechen zu können. Als ihm dies verwehrt wird, schweigt er. Nun befragen die Ermittler auch Beamte des Begleitkommandos, das für die Sicherheit des Kanzlers verantwortlich ist. Bei welchen Gelegenheiten war Guillaume dabei? Etwa wenn der Kanzler in Hotels oder im Sonderzug Besuche empfing, Hintergrundgespräche führte, besonders mit Journalistinnen? Was davon hat Guillaume mitbekommen und mutmaßlich nach Ostberlin gemeldet? So wird unversehens das Privatleben Willy Brandts zum Thema der Ermittlungen. Undeutlich bleibt zwar, wo in den Schilderungen der Sicherheitsbeamten die Grenze zwischen Realität und Phantasie verläuft. Aber so viel wird klar: Es soll der Referent und Reiseleiter Guillaume gewesen sein, der dem Kanzler ‘Frauen zugeführt‘ hat. Darüber informiert der Chef des Bundeskriminalamts, Herold, den Innenminister, dann auch den Kollegen Nollau vom Verfassungsschutz. Nollau wiederum eilt zu seinem Freund und Gönner Wehner, dem er die vermeintlich dramatische Lage erregt schildert: Der Bundeskanzler sei erpressbar, die DDR-Führung könne mit diesen Sexgeschichten die Bundesregierung bis auf die Knochen blamieren. Nollau weiß nur einen Rat: Willy Brandt muss zurücktreten, bevor es zum Eklat kommt. Herbert Wehner schweigt, aber es ist ein ungutes Schweigen. Er wird den Kanzler morgen treffen.
Hinweis
Willy Brandt, Friedensnobelpreisträger von 1971 und Symbolfigur der deutschen Entspannungspolitik, trat 1974 vom Amt des Bundeskanzlers zurück, nachdem sein Mitarbeiter Guillaume als DDR-Agent enttarnt worden war. Regisseur und Autor Oliver Storz rekonstruiert in dem Film behutsam die genauen Umstände dieser ‘Guillaume-Affäre‘ und die Überlegungen im engeren Kreis um Willy Brandt, die ihn zum Rücktritt bewogen haben. ‘Im Schatten der Macht‘ liefert einen spannenden und informativen Einblick in die damalige deutsche Machtzentrale sowie ein sensibles Psychogramm der wichtigsten Akteure.
Personen
Schauspieler: Rolle | Willy Brandt Günter Guillaume Arno Hans Dietrich Genscher Dr. Günter Nollau Herbert Wehner Rut Brandt Egon Bahr Helmut Schmidt Walter Scheel |
| Regie: | Oliver Storz |
| Drehbuch: | Oliver Storz |
| Kamera: | Hans Grimmelmann |
| Musik: | Klaus Doldinger |